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Skandalmaschine zieht blank
Mathieu Carriere Schauspieler, Regisseur, Autor :: Schauspieler, Regisseur und Autor :: Skandale und Klatsch
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Re: Skandalmaschine zieht blank
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21.04.2011
Skandalmaschine Mathieu Carrière Ein Mann zieht blank
Von Christian Buß
Grenzgänger Carrière: Auf eine Kakerlake mit Freud
Fotos
Getty Images
Im Dschungelcamp ließ er ebenso die Hosen runter wie bei dem Psychoanalyse-Denker Gilles Deleuze: In seinem neuen Buch "Im Inneren der Seifenblase" bringt Mathieu Carrière jetzt Therapie und TV-Trash zusammen. Begegnung mit einem Exhibitionisten aus Überzeugung.
Info
Erstmal eine Morphiumspritze setzen lassen. Gegen den Selbstekel. Gut, wenn man eine Tochter hat, die mit dem Spritzbesteck umgehen kann. Mathieu Carrière scheint jedenfalls in seinem Element, als ihm die junge Schauspielerin Barbara Lanz in der schummrigen Bar des Hotel Maritim Reichshof mit einem Kugelschreiber an den Venen rumfuhrwerkelt. Er spielt Freud, sie dessen Tochter Anna. In Kooperation mit dem Deutschen Schauspielhaus wird man ab Mai in der schönen Spelunke "Letzte Runde" uraufführen, ein Stück über die letzten Tage Freuds in London.
Carrière wollte dem Journalisten nur eine kleine Kostprobe geben. "Wie findest Du es?" fragt er. Schwierig zu sagen. Macht nichts, Carrière übernimmt selbst das Schwärmen. Über die historischen Leistungen Anna Freuds im Bereich der Kinderpsychologie, über die manipulative Kraft des alten Freud: "Er war", so Carrière beim ersten der sehr schnell getakteten Biere des Abends, "der deutsche Conan Doyle, der Sherlock Holmes des Seelenlebens. Der beschreibt seine Krankengeschichten wie Kriminalfälle."
Moment mal, soll das hier etwa ein Vortrag über die Psychoanalyse werden? Wo ist denn der Carrière, der provoziert, auf die Spitze treibt, sich um Kopf und Kragen redet? Ah, da ist er: "Du merkst beim Lesen von Freud zuerst gar nicht", führt er seine Gedanken zur unvermeidlichen Pointe aus, "wie dir dieser Mann seine eigenen Hirngespinste als logische Entwicklung von Gedanken unterjubelt. Du sagst: Ja, klar, hat der Leonardo da Vinci symbolisch den Schwanz seines Papi im Mund, als er Moses mit der Tafel meißelt!"
Das sind so die Sprüche, für die man den Mann schätzt oder ablehnt. Meistens Letzteres. Kaum ein Mensch in diesem Land, der keine Meinung zu ihm hat. Carrière scheint das zu genießen. Und zu hassen. "In unserem Geschäft werden wir bombardiert mit Urteilen", sagt er, nachdem er sich das nächste Bier hinterm Tresen hervorgeholt hat. "Die Leute glauben ja alle, dass sie dir etwas über dich sagen könnten. Darum geht es auch in meinen Buch."
Pro-Freud und Anti-Ödipus
Ach ja, das Buch. "Im Inneren der Seifenblase" heißt es und handelt von einem Schauspieler, der sich in den unteren Segmenten des deutschen Fernsehens durchschlagen muss. Wie tickt so einer? Wie überlebt so einer? Was verdrängt er? Auf der Couch mit einem abgehalfterten Soap-Star: Natürlich handelt der Roman auch von Carrière selbst, der 2008 eine feste Rolle in der scheußlichen Sat.1-Telenovela "Anna und die Liebe" hatte.
"Ich habe in dem Buch zwei Dinge zusammengebracht: Dieses Maskenspiel in der Unterhaltungsbranche und die Psychiatrie. Mit beiden kenne ich mich aus. Mein Vater ist Neurologe und Psychiater, meine Mutter war Therapeutin, das hab ich also quasi mit der Muttermilch eingesogen." Und nach einem weiteren großen Schluck Bier fügt er eher leise hinzu: "Ich kenne die menschlichen Abgründe, mein Bruder hat sich umgebracht, bei dem Philosophen Deleuze habe ich zehn Jahre nicht nur den Anti-Ödipus studiert."
Man muss Mathieu Carrière als Gesamtkunstwerk sehen, er ist Schauspieler, Privatgelehrter, Skandalmaschine in gleichem Maße. Und in allen drei Bereichen macht er einen exzellenten Job. Für jeden, mal mehr und mal weniger kalkulierten Ausfall hat er zwei brillante Auftritte in seiner Filmografie. Klar, er hing sich in einer lächerlichen Performance während seines bizarren Protests für mehr Männerrechte ans Kreuz, er schlich sich somnambul durchs "Promi-Dinner", er gab bei "Let's Dance" den irrsinnigen Hüpfer. Er drehte aber auch mit Schlöndorff, Vadim und Rohmer.
Intellekt mit Sexappeal
Unvergessen sein Auftritt in Robert van Ackerens "Die flambierte Frau" 1983, wo Carrière als Callboy vor Suhrkamptaschenbüchern posiert, die nach den Regenbogenfarben geordnet sind. Intellekt - oder zumindest das Zurschaustellen von Intellekt - kam in Deutschland nie wieder so sexy daher.
Über solch legendäre Auftritte würde man gerne sprechen, stattdessen aber unterhält man sich in der Hotelbar vor allem über Pleiten, Pech und Sorgerechtsstreitigkeiten; zwei Töchter von zwei von ihm getrennt lebenden Frauen hat Carrière. Leisetreten ist bei diesem Thema nicht seine Sache. Wo sich alle anderen deutschen Schauspieler bescheiden und erfolgreich geben, da macht er gerne auf größenwahnsinnig und erfolglos, definitiv die interessantere Mischung.
Im Moment, Stil muss sein, lebt er in Venedig, Paris und Hamburg. Oft besucht er die ältere Tochter in New York. Das kostet, daraus macht Carrière keinen Hehl: "Ich versorge sechs Leute. Ich habe Baustellen in vier verschiedenen Ländern, ich muss 'ne ganze Masse Geld einfahren. Da kann man nicht nur immer auf der Spielwiese rumhopsen, da muss man auch mal 'ne Telenovela machen."
Schon wieder ist ein Bier alle, und während Carrière ins leere Glas starrt, scheint ihm aufzugehen, dass das nun selbst für ihn sehr negativ klingt. Er fügt hinzu: "Aber das Ganze ist natürlich auch ein lustvolles Spiel. Ich war jahrelang spielsüchtig. Ich habe meine erste Ehe durchs Spielen ruiniert. Ich habe in New York rumgesessen und Blitzschach gespielt. Auch in meinem Rumspielen in und mit den Medien steckt viel Sucht."
Aber wie funktioniert das, vom Wunderkind des deutschen Films, der nach Schlöndorffs "Jungen Törless" 1966 als einer der ganz wenigen hiesigen Schauspieler eine veritable europäische Karriere einschlug, zum Radikalhumoristen des deutschen Privatfernsehens? "Ich habe mir irgendwann eine Clownsmaske aufgesetzt", sagt Carrière. "Das war Anfang der Neunziger in New York, als ich meine erste Tochter nicht mehr sehen konnte. Ich war 20 Jahre aus Deutschland weggewesen, ich kriegte keinen Fuß mehr auf den Boden. Ich hatte am Ende sechs Jahre Scheidungs- und Sorgerechtskrieg hinter mir. Ich wäre damals beinahe zerbrochen."
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21.04.2011
Skandalmaschine Mathieu Carrière Ein Mann zieht blank
Von Christian Buß
Grenzgänger Carrière: Auf eine Kakerlake mit Freud
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Im Dschungelcamp ließ er ebenso die Hosen runter wie bei dem Psychoanalyse-Denker Gilles Deleuze: In seinem neuen Buch "Im Inneren der Seifenblase" bringt Mathieu Carrière jetzt Therapie und TV-Trash zusammen. Begegnung mit einem Exhibitionisten aus Überzeugung.
Info
Erstmal eine Morphiumspritze setzen lassen. Gegen den Selbstekel. Gut, wenn man eine Tochter hat, die mit dem Spritzbesteck umgehen kann. Mathieu Carrière scheint jedenfalls in seinem Element, als ihm die junge Schauspielerin Barbara Lanz in der schummrigen Bar des Hotel Maritim Reichshof mit einem Kugelschreiber an den Venen rumfuhrwerkelt. Er spielt Freud, sie dessen Tochter Anna. In Kooperation mit dem Deutschen Schauspielhaus wird man ab Mai in der schönen Spelunke "Letzte Runde" uraufführen, ein Stück über die letzten Tage Freuds in London.
Carrière wollte dem Journalisten nur eine kleine Kostprobe geben. "Wie findest Du es?" fragt er. Schwierig zu sagen. Macht nichts, Carrière übernimmt selbst das Schwärmen. Über die historischen Leistungen Anna Freuds im Bereich der Kinderpsychologie, über die manipulative Kraft des alten Freud: "Er war", so Carrière beim ersten der sehr schnell getakteten Biere des Abends, "der deutsche Conan Doyle, der Sherlock Holmes des Seelenlebens. Der beschreibt seine Krankengeschichten wie Kriminalfälle."
Moment mal, soll das hier etwa ein Vortrag über die Psychoanalyse werden? Wo ist denn der Carrière, der provoziert, auf die Spitze treibt, sich um Kopf und Kragen redet? Ah, da ist er: "Du merkst beim Lesen von Freud zuerst gar nicht", führt er seine Gedanken zur unvermeidlichen Pointe aus, "wie dir dieser Mann seine eigenen Hirngespinste als logische Entwicklung von Gedanken unterjubelt. Du sagst: Ja, klar, hat der Leonardo da Vinci symbolisch den Schwanz seines Papi im Mund, als er Moses mit der Tafel meißelt!"
Das sind so die Sprüche, für die man den Mann schätzt oder ablehnt. Meistens Letzteres. Kaum ein Mensch in diesem Land, der keine Meinung zu ihm hat. Carrière scheint das zu genießen. Und zu hassen. "In unserem Geschäft werden wir bombardiert mit Urteilen", sagt er, nachdem er sich das nächste Bier hinterm Tresen hervorgeholt hat. "Die Leute glauben ja alle, dass sie dir etwas über dich sagen könnten. Darum geht es auch in meinen Buch."
Pro-Freud und Anti-Ödipus
Ach ja, das Buch. "Im Inneren der Seifenblase" heißt es und handelt von einem Schauspieler, der sich in den unteren Segmenten des deutschen Fernsehens durchschlagen muss. Wie tickt so einer? Wie überlebt so einer? Was verdrängt er? Auf der Couch mit einem abgehalfterten Soap-Star: Natürlich handelt der Roman auch von Carrière selbst, der 2008 eine feste Rolle in der scheußlichen Sat.1-Telenovela "Anna und die Liebe" hatte.
"Ich habe in dem Buch zwei Dinge zusammengebracht: Dieses Maskenspiel in der Unterhaltungsbranche und die Psychiatrie. Mit beiden kenne ich mich aus. Mein Vater ist Neurologe und Psychiater, meine Mutter war Therapeutin, das hab ich also quasi mit der Muttermilch eingesogen." Und nach einem weiteren großen Schluck Bier fügt er eher leise hinzu: "Ich kenne die menschlichen Abgründe, mein Bruder hat sich umgebracht, bei dem Philosophen Deleuze habe ich zehn Jahre nicht nur den Anti-Ödipus studiert."
Man muss Mathieu Carrière als Gesamtkunstwerk sehen, er ist Schauspieler, Privatgelehrter, Skandalmaschine in gleichem Maße. Und in allen drei Bereichen macht er einen exzellenten Job. Für jeden, mal mehr und mal weniger kalkulierten Ausfall hat er zwei brillante Auftritte in seiner Filmografie. Klar, er hing sich in einer lächerlichen Performance während seines bizarren Protests für mehr Männerrechte ans Kreuz, er schlich sich somnambul durchs "Promi-Dinner", er gab bei "Let's Dance" den irrsinnigen Hüpfer. Er drehte aber auch mit Schlöndorff, Vadim und Rohmer.
Intellekt mit Sexappeal
Unvergessen sein Auftritt in Robert van Ackerens "Die flambierte Frau" 1983, wo Carrière als Callboy vor Suhrkamptaschenbüchern posiert, die nach den Regenbogenfarben geordnet sind. Intellekt - oder zumindest das Zurschaustellen von Intellekt - kam in Deutschland nie wieder so sexy daher.
Über solch legendäre Auftritte würde man gerne sprechen, stattdessen aber unterhält man sich in der Hotelbar vor allem über Pleiten, Pech und Sorgerechtsstreitigkeiten; zwei Töchter von zwei von ihm getrennt lebenden Frauen hat Carrière. Leisetreten ist bei diesem Thema nicht seine Sache. Wo sich alle anderen deutschen Schauspieler bescheiden und erfolgreich geben, da macht er gerne auf größenwahnsinnig und erfolglos, definitiv die interessantere Mischung.
Im Moment, Stil muss sein, lebt er in Venedig, Paris und Hamburg. Oft besucht er die ältere Tochter in New York. Das kostet, daraus macht Carrière keinen Hehl: "Ich versorge sechs Leute. Ich habe Baustellen in vier verschiedenen Ländern, ich muss 'ne ganze Masse Geld einfahren. Da kann man nicht nur immer auf der Spielwiese rumhopsen, da muss man auch mal 'ne Telenovela machen."
Schon wieder ist ein Bier alle, und während Carrière ins leere Glas starrt, scheint ihm aufzugehen, dass das nun selbst für ihn sehr negativ klingt. Er fügt hinzu: "Aber das Ganze ist natürlich auch ein lustvolles Spiel. Ich war jahrelang spielsüchtig. Ich habe meine erste Ehe durchs Spielen ruiniert. Ich habe in New York rumgesessen und Blitzschach gespielt. Auch in meinem Rumspielen in und mit den Medien steckt viel Sucht."
Aber wie funktioniert das, vom Wunderkind des deutschen Films, der nach Schlöndorffs "Jungen Törless" 1966 als einer der ganz wenigen hiesigen Schauspieler eine veritable europäische Karriere einschlug, zum Radikalhumoristen des deutschen Privatfernsehens? "Ich habe mir irgendwann eine Clownsmaske aufgesetzt", sagt Carrière. "Das war Anfang der Neunziger in New York, als ich meine erste Tochter nicht mehr sehen konnte. Ich war 20 Jahre aus Deutschland weggewesen, ich kriegte keinen Fuß mehr auf den Boden. Ich hatte am Ende sechs Jahre Scheidungs- und Sorgerechtskrieg hinter mir. Ich wäre damals beinahe zerbrochen."
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Skandalmaschine zieht blank
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